Die Implementierung der seit Jahrzehnten fortschreitenden Digitalisierung ist schon lange nicht mehr nur ein Schlagwort der Politik, sondern Realität in vielen privaten und beruflichen Bereichen geworden. In immer mehr Situationen des Lebens ist es dabei schon selbstverständlich, dass Papier elektronischen Lösungen weichen musste: viele Fahranfänger wissen gar nicht mehr, dass Straßenkarten damals hinten im Fahrersitz steckten, es ist undenkbar bei Amazon mit einer Bestellkarte zu bestellen oder die Bestellung dann mittels Scheck zu bezahlen – und wer weiß heute noch was eine Doppelkarte ist...? Aber ausgerechnet bei dem zukunftsgerichteten Gebiet der klinischen Studien wird vielerorts, besonders bei kleineren Studien, noch Papier zur Dokumentation der Ergebnisse verwendet.
Im Folgenden wollen wir kurz darauf eingehen was die fünf größten Vorteile von elektronischen Dokumentationsbögen (eCRFs, “electronic case report forms”) sind und warum Papier gerade im Kontext der Dokumentation klinischer Studien nur noch in wenigen Ausnahmefällen sinnvoll ist.
Bei der Durchführung jeder klinische Studie bewegt man sich im streng regulierten Umfeld. GCP, MDR, IVDR, 21 CFR 11, DSGVO, usw. stellen sicher, dass die Unversehrtheit und der Datenschutz der Patienten gewährleistet sind, und natürlich die Qualität der Daten sichergestellt wird. Dabei werden große Anstrengungen unternommen Risiken für Verwechslung, Verlust oder Inkonsistenz des Datensatzes zu minimieren, nur so ist gewährleistet, dass am Ende belastbare und medizinisch wertvolle Daten erzeugt werden. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass selbst groß angelegte Forschungsprojekte aufgrund mangelnder Datenqualität kritisiert, oder gar unbrauchbar werden.
Bei der Verwendung von papierbasierten Berichtsformularen (CRFs) gibt es verschiedene Fehlerquellen, die sich systembedingt nicht völlig schließen lassen:
Der schlimmste Fall ist, wenn CRFs beim Versand oder an anderer Stelle verloren gehen. Dies geschieht zum Glück sehr selten, ist aber schon vorgekommen. Weitaus häufiger passieren Fehler direkt beim Umgang mit den CRFs, insbesondere beim Übertrag der Daten vom Fragebogen in eine Datenbank (oder leider auch oft nur Excel-Datei). Den Goldstandard stellt dabei die unabhängige Doppeleingabe mit anschließendem Abgleich dar. So werden Übertragungsfehler erkannt und idealerweise auch korrigiert. Daten-Transkription ist eine repetitive und wenig anregende Aufgabe, die jedoch höchste Konzentration erfordert und so ist es wenig verwunderlich, dass sich dabei häufig Probleme einschleichen. Scheinbar kleine Fehler, wie Zahlendreher, Aus-der-Zeile-Rutschen oder schlichte Tippfehler können große Auswirkungen haben, wenn sie unerkannt bleiben.
Eine weitere Grundlage jeder Studie ist, dass sich die pseudonymisierten Ergebnisse immer eindeutig einem Patienten zuordnen lassen. Dies geschieht zumeist durch eine Identifikationsnummer, die entweder handschriftlich oder mittels zweier Sticker auf den Fragebogen und in den ID-log (der den Klarnamen decodiert) übertragen wird. Besonders groß ist die Gefahr natürlich bei der handschriftlichen Übertragung der Nummer, da hier Schreibfehler passieren können. Aber auch bei der Verwendung vorgedruckter Aufkleber können diese in Einzelfällen, insbesondere wenn eine größere Probandenzahl gleichzeitig bearbeitet wird, falsch geklebt sein und damit der Patientenname der falschen Patienten-ID werden. Diese Fehler dürfen eigentlich nicht passieren, in der Realität kommen sie dennoch vor.
Bei elektronischen CRFs (eCRFs) dagegen geschieht die komplette Patienten- und Datenverwaltung automatisch. Alle Daten laufen ohne den Zwischenschritt einer manuellen Eingabe direkt in eine Datenbank. Es ist damit ausgeschlossen, dass Übertragungsfehler oder Patientenverwechslungen passieren.
Ein weiteres Problem bei der Verwendung von papierbasierten CRFs besteht darin, dass die Antworten manchmal schlecht leserlich oder mehrdeutig sind. Besonders problematisch ist es dabei, wenn man die Handschrift falsch interpretiert und so falsche Informationen in die Auswertung übernimmt. Aber nicht nur die Handschrift ist ein Problem. Sind Angaben als Freitext zulässig, stellt man oft fest, dass es zahlreiche Synonyme oder Umschreibungen des gleichen Sachverhalts gibt. So können die Begriffe “Obstruktive Lungenerkrankung”, “Hyperreagibles Bronchialsystem”, “Bronchialasthma”, “Asthma” oder “Asthma bronchiale” den gleichen Sachverhalt beschreiben. Das erschwert die Datenerfassung und die Interpretation kann zu fehlerhaften Eingaben und schlimmstenfalls inkorrekten Schlüssen aus der Studie führen.
Es müssen aber nicht einmal ganze Wörter oder Sätze sein um Unklarheiten auszulösen. Selbst das einfache Ankreuzen von Checkboxen kann bei Papierfragebögen mehrdeutig geschehen: Es kommt oft vor, dass Kreuze gesetzt, wieder durchgestrichen und dann doch ein zweites mal z.B. neben das eigentliche Kästchen angekreuzt werden, sodass unter Umständen unklar ist, wie die Antwort nun zu werten ist. Die Unleserlichkeit bedingt also im schlechtesten Fall fehlerhafte Daten, in jedem Fall aber Zusatzaufwand, da die tatsächliche Antwort in einem Query geklärt werden muss.
Elektronische Fragebögen sind dagegen immer lesbar, Kästchen sind eindeutig an- oder abgehakt und Kommentare sind in dafür vorgesehenen Feldern. Bei einer Auswahl an Möglichkeiten können durchgängig die gleichen Begriffe mit der gleichen Rechtschreibung verwendet werden. Dies erleichtert im Nachgang nicht nur die Interpretation der Daten, sondern verhindert Fehleingaben.
Bei Papier-CRFs lauern aber noch weitere Fehlerquellen: Bei manchen Angaben ist einem auf den ersten Blick klar, dass ein Fehler bei der Eingabe passiert ist. So ist es eher unwahrscheinlich, dass jemand 1399 geboren wurde, oder täglich 44 Tabletten eines Herzmedikamentes nimmt. Manchmal sind diese Tippfehler oder Verwechslungen aber nicht so offensichtlich und lassen sich nur von gut geschultem Personal identifizieren. Auch besteht wieder die Gefahr, dass die unplausiblen Angaben in die Datenbank übernommen werden und damit die Aussagekraft der gesamten Studie schmälern.
In einem eCRF lassen sich bereits beim Entwurf der Frage Validitätskriterien definieren, die direkt bei der Eingabe überprüfen ob sich die Antwort in einem plausiblen oder geforderten Rahmen bewegt. So werden vermeidbare Nachfragen oder gar Fehleingaben verhindert.
Darüber hinaus bietet das elektronische System noch weitere Vorteile um Risiken zu minimieren, die mit Papier technisch gar nicht umsetzbar sind:
So ist bei der Verwendung von eCRFs ein automatischer Audit-Trail vorhanden, wodurch jede Änderung automatisch geloggt wird und so immer nachvollziehbar ist welche Person welche Änderung zu welchem Zeitpunkt vorgenommen hat.
Auch beim Thema Datenschutz sind elektronische Fragebögen Papierfragebögen weit voraus: durch Zugangsberechtigungen können nur legitimierte Personen oder Personengruppen Einsicht in verschiedene Fragebögen erhalten.
Viele der Fehler lassen sich bestimmt auch durch einen stringenten Query-Prozess abfangen bzw. abmildern. Dies kostet aber nicht nur Zeit und Geld sondern birgt trotz aller Maßnahmen die Gewissheit, dass sich bei der Verwendung von Papier-CRFs manche Risiken nicht ausreichend mitigieren lassen.
Sowohl der Papierfragebogen, als auch die elektronische Variante müssen erstellt, ausgefüllt und ausgewertet werden. Wie aber bereits oben beschrieben fallen bei der Verwendung von Papier-basierten Fragebögen noch zusätzliche Arbeitsschritte an: Die Papierfragebögen werden gedruckt und ggf. versendet, die ausgefüllten Papierfragebögen müssen dann gescannt und abgeheftet werden und zum Schluss werden alle Ergebnisse in eine Datenbank oder in ein Excel-File in doppelter und unabhängiger Eingabe überführt werden. Jeder Arbeitsschritt und jeder Systemwechsel bedingt dabei eine weitere Fehlerquelle und Mehraufwand – und damit Mehrkosten.
Bei einem eCRF fallen alle diese zusätzlichen Schritte weg. Nach der Erstellung des eCRFs laufen alle Daten automatisch in eine Datenbank, werden dort gespeichert und können direkt ausgewertet werden. Es gibt keinen Bruch zwischen verschiedenen Systemen.
Aber nicht nur bei der Vor- und Nachbereitung wird bei Papierfragebögen unnötig Zeit verschwendet. Auch beim Ausfüllen finden unnötige Arbeitsschritte statt: Wenn z.B. manche Fragen nur in ganz bestimmten Situationen auszufüllen sind, dann muss der Bearbeiter sich entweder trotzdem durch alle Fragen (auch die irrelevanten) arbeiten, oder es werden Anweisungen zum Überspringen eingebaut, die die Bearbeitung schnell zur Schnitzeljagd werden lassen. Dabei können nicht nur Fehler entstehen, sondern es steigert auch den Aufwand für den Bearbeiter.
In einem eCRF lassen sich Fragen so konfigurieren, dass diese nur in Abhängigkeit einer vorher gegebenen Antwort erscheinen. So kann z.B. eingestellt werden, dass die Möglichkeit einer Schwangerschaft nur dann gefragt wird, wenn vorher das Geschlecht als weiblich angegeben wurde. Dies macht die Beantwortung der Fragen übersichtlicher und schneller.
Spätestes wenn mehr als ein Zentrum an einer Studie beteiligt ist, kommt es früher oder später zu Unklarheiten, die einer genaueren Nachfrage bedürfen. Diese Queries und ihre Auflösung müssen nachvollziehbar dokumentiert werden. Bei Papier-CRFs heißt das, Korrekturen einzutragen, ohne den ursprünglichen Eintrag unkenntlich zu machen, jeden Schritt manuell zu dokumentieren und gegenzuzeichnen.
Bei Verwendung eines eCRF-Systems können Queries ganz einfach innerhalb des Systems gestellt und beantwortet werden. Die Dokumentation erfolgt ohne Mehraufwand ganz automatisch und ein vollständiger Audit-Trail sichert die Nachvollziehbarkeit.
Durch die Verwendung von Papier-CRFs entstehen nicht nur höhere Personalkosten (siehe Punkt 2). Auch andere Kosten fallen zusätzlich an: Neben den Papier- und Toner-/Druckkosten entstehen insbesondere Kosten durch Versand und die gesetzlich vorgeschriebene Lagerung der ausgefüllten Formulare.
Diese Zusatzkosten lassen sich durch die Verwendung elektronisch basierter eCRF-Systeme auf Null reduzieren.
Bei vielen Studien können CRFs nicht komplett auf einmal ausgefüllt werden: Laborwerte oder weitere Untersuchungsergebnisse stehen noch aus oder bei longitudinalen Studien fließen die Ergebnisse mehrerer Visits in ein CRF ein. Wird die Studie auf Papier durchgeführt, ist es aufwändig und schwierig, zu jeder Zeit den Überblick zu bewahren, was der Bearbeitungsstand jedes einzelnen Formulars und/oder Patienten gerade ist. Diese Informationen sind aber zentrale Elemente einer erfolgreichen Überwachung und Steuerung Ihrer klinischen Studie. Wie ist mein Rekrutierungsstand im Vergleich zum Plan? Was bedeutet das für den Abschlusstermin? Wie viele Queries sind noch offen? Wie schnell können diese voraussichtlich geschlossen werden? Welcher Proband muss noch and die Rücksendung eines Formulars erinnert werden, oder benötigt nun die Anschlussbefragung? All das sind wichtige Kenngrößen im Studienmanagement, die den Verantwortlichen viel Sorgfalt und Aufwand abverlangen.
Bei der Verwendung von eCRFs hat das Studienteam immer die komplette Übersicht über den Bearbeitungsstand jedes CRFs und den Stand der Studie insgesamt.
Gerade bei internationalen, multizentrischen Studien müssen in allen Zentren die gleichen Fragen gestellt werden – oft in Landessprache, wenn Probanden selbst Bögen ausfüllen, oder das lokale Studienpersonal nicht über ausreichende Englischkenntnisse verfügt. Bei der Transkription der Daten in die Datenbank muss der Bearbeiter entweder über die entsprechenden Sprachkenntnisse verfügen, oder aber die Fragen anhand ihrer Nummern zuordnen, weil er den Fragetext nicht versteht. Dabei können sich schnell Fehlzuordnungen einschleichen.
Anders als bei Papierfragebögen kann bei eCRFs immer direkt vor der Eingabe die Sprache der Fragen gewählt werden, so dass jedes Studienzentrum das CRF in Landessprache verwendet. Eine Transkription erübrigt sich und der Studienleiter kann die Datenbank in seiner Sprache sichten, prüfen und auswerten. Einige Freitext-Antworten bedürfen ggf. der Übersetzung. So werden Sprachbarrieren überwunden und auch internationale Multicenter-Studien können ohne sprachliche Reibungsverluste und Fehlerquellen durchgeführt werden.
Auch die Lesbarkeit der Fragen ist bei einer eCRF besser als bei Papier, da die Schriftgröße, wie von allen modernen Internetseiten gewohnt, vergrößert und verkleinert werden kann. Dies ist insbesondere für Teilnehmer mit eingeschränkter Sehstärke von Vorteil.
Heutzutage ist es wichtiger denn je umsichtig mit den Ressourcen unseres Planeten umzugehen. Elektronische Fragebögen verbrauchten natürlich keinerlei Papier. Selbst wenn man nur eine kleine Studie mit einem einseitigen Fragebogen hat: es ist nicht die einzige Studie dieser Art und so können durch die Verwendung elektronischer Fragebögen europaweit viele Tonnen Papier eingespart werden.
Darüber hinaus müssen die Fragebögen auch nicht verschickt und gelagert werden. Dies wirkt sich vor allem positiv auf die CO2-Bilanz aus: die Statistik des Internationalen Energie-Jahrbuchs 2015 zeigte, dass der Versand eines einzigen Briefes insgesamt ca. 20 Gramm CO2 produziert, wohingegen Versand, Öffnen, Lesen und Beantworten einer E-Mail insgesamt deutlich weniger als 10 Gramm CO2 verursacht.
Papierfragebögen in klinischen Studien sind mit Sicherheit nicht der größte Umweltsünder, aber wenn es so einfach ist auch an dieser Stelle einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten, sollte man diese Gelegenheit auch nutzen.
Zusammenfassung
Bei rationaler Betrachtung gibt es eigentlich keinen guten Grund, an Papier-CRFs festzuhalten, außer der lieben Gewohnheit. Elektronische Lösungen liefern nicht nur einen adäquaten Ersatz, sondern bieten zahlreiche Vorteile gegenüber der traditionellen Dokumentation auf Papier – sie erleichtern die Arbeit, beschleunigen den Prozess, schaffen Transparenz und erhöhen die Datenqualität. Das führt zu Kostenersparnis bei gleichzeitig besserem Ergebnis.